War for Ta­lents: So ge­win­nen Ar­beit­ge­ber den Kampf um die bes­ten Mitarbeiter*innen

Blei­ben – oder nicht blei­ben? Das ist hier die Fra­ge

Zwei Men­schen fin­den sich, ver­lie­ben sich und be­gin­nen, ge­mein­sam im­mer mehr Zeit zu ver­brin­gen. Sie ha­ben sich zu­nächst für­ein­an­der ent­schie­den. Die gro­ße Fra­ge: Kommt nach der Ver­liebt­heit die tie­fe Bin­dung – oder bleibt sie aus und du gehst? Ähn­lich wich­tig ist die Fra­ge heu­te am Ar­beits­markt. Denn eine „tie­fe­re Bin­dung“ zwi­schen Un­ter­neh­men und Mit­ar­bei­ter ist be­deu­ten­der denn je und des­halb mit ei­ner Part­ner­schaft ver­gleich­bar.

War­um ist Mit­ar­bei­ter­bin­dung so wich­tig?

In Zei­ten des Fach­kräf­te­man­gels ist der Kampf um qua­li­fi­zier­te Ta­len­te groß. Wer pas­sen­de Kan­di­da­ten fin­det, muss die­se also nicht nur er­obern, son­dern al­len vor­an an sich bin­den kön­nen. Ende 2021 gab die Bun­des­agen­tur für Ar­beit be­kannt, dass in der Bun­des­re­pu­blik etwa 1,2 Mil­lio­nen Ar­beits­kräf­te feh­len. Dem­nach sei­en etwa 70 Be­ru­fe da­von be­trof­fen. Der Krieg um Ta­len­te, im Eng­li­schen auch „War for Ta­lents“ ge­nannt, ist des­halb groß. Ent­schei­den Su­chen­de sich für ein Un­ter­neh­men, müs­sen sie sich des­halb schon bald die Fra­ge stel­len: Blei­be ich? Oder soll­te ich zur Kon­kur­renz ge­hen?

Was be­ein­flusst die Ent­schei­dung von Be­schäf­tig­ten?

Im Krieg und in der Lie­be ist be­kannt­lich „al­les“ er­laubt. Das soll zu­min­dest die Auf­fas­sung Na­po­lé­on Bo­na­par­tes ge­we­sen sein. Mo­men­tan sind di­ver­se Mit­tel zur Mit­ar­bei­ter­bin­dung nicht nur er­laubt, son­dern drin­gend ge­fragt. Im Kampf um ge­eig­ne­te Nach­wuchs­ta­len­te und qua­li­fi­zier­te Fach­kräf­te kön­nen Un­ter­neh­men sich nicht ge­nüss­lich zu­rück­leh­nen. Sie müs­sen kämp­fen und sich rein­hän­gen. Aber: Wor­auf kommt es hier wirk­lich an und wel­che Mit­tel sind ge­eig­net, um eine Stel­le at­trak­tiv ge­nug zu ge­stal­ten, um das rich­ti­ge Per­so­nal an sich zu bin­den?

Fol­gen­de Ein­fluss­fak­to­ren spie­len un­ter an­de­rem eine Rol­le bei der Mit­ar­bei­ter­bin­dung:

  • Ent­loh­nung
  • Ar­beits­kli­ma
  • Auf­stiegs­chan­cen
  • Ar­beits­zeit­re­ge­lun­gen
  • be­trieb­li­che Kin­der­be­treu­ung
  • Work-Life-Ba­lan­ce
  • Auf­ga­ben­be­rei­che
  • be­trieb­li­che Al­ters­vor­sor­ge
  • Chan­ce, mit­ent­schei­den zu dür­fen
  • zu­sätz­li­che Be­ne­fits, die das Un­ter­neh­men von der Kon­kur­renz ab­he­ben

Was sind die Ge­heim­nis­se von ei­ner nach­hal­ti­gen Mit­ar­bei­ter­bin­dung?

Neh­men wir an: Nach der ers­ten Lie­bes­pha­se ei­nes Paa­res kommt ir­gend­wann die Ehe. Sie ist das Zei­chen für eine lang­fris­ti­ge Bin­dung, Loya­li­tät, eine Ver­pflich­tung und ein Ver­spre­chen. So ähn­lich – aber eben auf be­ruf­li­cher Ebe­ne – soll­te das Ver­hält­nis zwi­schen Un­ter­neh­men und Be­schäf­tig­ten sein.

Um die­se lang­fris­ti­ge und sta­bi­le Bin­dung zu er­rei­chen, be­darf es der Er­fül­lung fol­gen­der Vor­aus­set­zun­gen:

1. Ur­sa­chen­for­schung be­trei­ben und Lö­sun­gen fin­den

Fin­de die Wur­zel al­len Übels in dei­ner Fir­ma. Denn Mit­ar­bei­ter ha­ben be­stimm­te Grün­de, um ein Un­ter­neh­men zu ver­las­sen. Wer Ur­sa­chen­for­schung be­treibt, hat des­halb die Mög­lich­keit, wirk­lich et­was zu ver­än­dern. So ge­winnst du nicht nur Ta­len­te für dein Un­ter­neh­men, son­dern bringst sie dazu, dass sie bei dir blei­ben.

Laut ei­ner Ana­ly­se der On­line-Be­rufs­platt­form StepStone aus dem Jahr 2019 sind fol­gen­de Ur­sa­chen ei­ni­ge der Grün­de, war­um Un­ter­neh­men ihre Mit­ar­bei­ter nicht hal­ten kön­nen:

  • ein schlech­tes Ar­beits­kli­ma, zum Bei­spiel un­freund­li­che Vor­ge­setz­te
  • kei­ne Auf­stiegs­mög­lich­kei­ten
  • eine schlech­te Be­zah­lung
  • man­gel­haf­te Work-Life-Ba­lan­ce

2. Mit­ar­bei­ter emo­tio­nal an sich bin­den

Nicht um­sonst wird die emo­tio­na­le Bin­dung als „Kleb­stoff“ ei­ner Be­zie­hung be­zeich­net. Da­mit Mit­ar­bei­ter nicht schon in­ner­lich kün­di­gen, be­vor sie das Un­ter­neh­men schließ­lich ver­las­sen, soll­ten Füh­rungs­kräf­te des­halb auf die emo­tio­na­le Bin­dung der Be­schäf­tig­ten set­zen.

Schon Neu­ro­wis­sen­schaft­ler der Dana Al­li­ance for Brain In­itia­ti­ves (DABI) zei­gen in ih­rer Ver­öf­fent­li­chung zum The­ma Stress, dass un­ser Ge­hirn St­res­so­ren be­son­ders schnell wahr­nimmt.

Die Fol­ge: Wir ent­wi­ckeln Ängs­te, das Ver­trau­ens­ver­hält­nis ist bei ei­ner emo­tio­nal in­sta­bi­len Be­zie­hung ge­stört.

In der wis­sen­schaft­li­chen Theo­rie heißt das:

Um das Bin­dungs­ver­hal­ten im Ge­hirn zu be­ein­flus­sen, müs­sen güns­ti­ge Be­din­gun­gen vor­herr­schen. Denn: Un­ter un­güns­ti­gen Be­din­gun­gen wer­den nicht Glücks­hor­mo­ne (u. a. Do­pa­min, En­dor­phi­ne, Oxy­to­cin) aus­ge­schüt­tet, son­dern Stress­hor­mo­ne, die Ge­fahr si­gna­li­sie­ren (Ad­re­na­lin, Cor­ti­sol).

In der Pra­xis be­deu­tet das:

  • Sor­ge für po­si­ti­ve Emo­tio­nen durch ak­ti­ves Zu­hö­ren, Em­pa­thie, Lob und Wert­schät­zung.
  • Bin­de Mit­ar­bei­ter in Ge­sprä­che ein und las­se sie bei wich­ti­gen Ent­schei­dun­gen nicht au­ßen vor.
  • Ver­mitt­le ein Ge­fühl von Si­cher­heit, Zu­sam­men­ge­hö­rig­keit, Trans­pa­renz und Auf­rich­tig­keit – denn die­se Ba­sics ge­hö­ren zu ei­ner sta­bi­len und ver­trau­ens­vol­len emo­tio­na­len Bin­dung dazu.

3. At­trak­ti­ve Ar­beits­be­din­gun­gen bie­ten

Fle­xi­ble Ar­beits­zeit­mo­del­le, eine fai­re Ver­gü­tung für alle, fla­che Hier­ar­chien: At­trak­ti­ve Ar­beits­be­din­gun­gen soll­ten nicht nur lee­re Ver­spre­chun­gen sein, son­dern eine gän­gi­ge Pra­xis. Denn we­gen des Per­so­nal­man­gels über­steigt die Nach­fra­ge das An­ge­bot. Fach­kräf­te, die heu­te be­son­ders be­gehrt sind, wer­den des­halb dort am längs­ten blei­ben, wo nach ih­ren Re­geln ge­spielt wird – nicht an­ders­her­um.

4. Mit­ar­bei­ter­ge­sprä­che füh­ren und um Feed­back bit­ten

Füh­len dei­ne Mit­ar­bei­ter sich wohl? Was stört sie? Was kann das Un­ter­neh­men ver­bes­sern? Eine Kon­ver­sa­ti­on auf Au­gen­hö­he zwi­schen Chefs und An­ge­stell­ten kann wah­re Wun­der be­wir­ken und da­bei hel­fen, wich­ti­ge Be­schäf­tig­te lang­fris­tig an das ei­ge­ne Un­ter­neh­men zu bin­den. Au­to­ri­täts­per­so­nen soll­ten des­halb nicht nur ei­nen kon­ser­va­ti­ven Füh­rungs­stil ha­ben, der kei­nen Raum für die Mei­nung ih­rer An­ge­stell­ten lässt.

Eher im Ge­gen­teil: Wer Nach­wuchs­ta­len­te ein­bin­det und qua­li­fi­zier­te Fach­kräf­ten zu­hört, si­chert sich den Vor­teil, die Be­dürf­nis­se des Ge­gen­übers ken­nen­zu­ler­nen. So wis­sen Un­ter­neh­men, was ihre Mit­ar­bei­ter sich wün­schen – und wie sie die­sen Be­dürf­nis­sen nach­ge­hen kön­nen, um Be­schäf­tig­te nicht an die Kon­kur­renz zu ver­lie­ren.

5. Kei­ne „schnel­le Num­mer“, son­dern eine ech­te Be­zie­hung pfle­gen

Zu­rück zur Lie­bes­be­zie­hung: Part­ner­schaf­ten sind kei­ne Selbst­läu­fer. So ist es auch mit der Be­zie­hung zwi­schen Un­ter­neh­men und ih­ren An­ge­stell­ten. Wer jetzt er­war­tet, dass neue Mit­ar­bei­ter schon blei­ben wer­den, ohne selbst et­was zu leis­ten, liegt falsch. Be­zie­hun­gen und Ehe be­deu­ten Ar­beit. Und so ist es auch mit den Mit­ar­bei­tern.

Nach ei­ner eu­pho­ri­schen ers­ten Pha­se des Ken­nen­ler­nens wird zwar der All­tag kom­men. Aber ge­nau jetzt ist die Chan­ce, um sich als Ar­beit­ge­ber zu be­wei­sen: Zei­ge, dass es nicht dar­um ging, kurz­fris­tig das Herz des po­ten­zi­el­len Kan­di­da­ten zu ge­win­nen – oder um eine „schnel­le Num­mer“. Son­dern dar­um, eine lang­fris­ti­ge Bin­dung auf­zu­bau­en. Klei­ne Ges­ten, die freund­li­chen Be­grü­ßun­gen am Mor­gen, eine Kis­te Eis am Stiel an hei­ßen Som­mer­ta­gen für die Mit­ar­bei­ter. Al­les ist er­laubt. Aber bit­te lang­fris­tig und be­stän­dig.

Fa­zit: Wer den Kampf in Zei­ten des Per­so­nal­man­gels ge­win­nen will, muss Gas ge­ben

Un­ter­neh­men, wel­che die Kon­kur­renz in Zei­ten des Per­so­nal- und Fach­kräf­te­man­gels aus­ste­chen wol­len, müs­sen schwe­re Ge­schüt­ze hoch­fah­ren. Denn der Kampf, qua­li­fi­zier­te Mit­ar­bei­ter nicht nur für sich zu ge­win­nen, son­dern vor al­lem zu hal­ten, ist ein schwe­rer.

Ne­ben ei­ner gu­ten Ver­gü­tung und be­trieb­li­chen Be­ne­fits, die wir alle zu schät­zen wis­sen, kommt es vor al­lem auf die emo­tio­na­le Kom­po­nen­te an. Schon längst ist heu­te be­kannt, wie wich­tig es zum Bei­spiel ist, sich als Chef nah­bar zu zei­gen. Denn Vor­ge­setz­te kön­nen der Grund da­für sein, dass Mit­ar­bei­ter ge­hen.

Ein ver­al­te­ter und rein kon­ser­va­ti­ver Füh­rungs­stil gilt als über­holt. Po­si­ti­ve Emo­tio­nen, re­gel­mä­ßi­ge Ge­sprä­che mit den Mit­ar­bei­tern und ein wert­schät­zen­der Um­gang stär­ken die Bin­dung nach­hal­tig. Es ist schließ­lich wie mit der Ehe: „Ja“ zu­ein­an­der zu sa­gen, ist ein gro­ßer Schritt. Aber erst da­nach zeigt sich, wer wirk­lich be­reit ist, lang­fris­tig zu blei­ben.

Quel­le: https://​ar​beits​-abc​.de/